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Aktueller Blog-Artikel

#digitalisierung #Goldvreneli #Sammelfrust
Zürich, 5. Juli 2025
Autor Francesco L. Romano


Das Jubiläums-Goldvreneli: eine Dreigroschenoper im Online-Shop

Ich gebe es ja zu: Es war ein nostalgischer Reflex. Mein Vater hat lange Jahre Silbermünzen gesammelt. Als Kind mochte ich den Münzordner mit den vielen glänzenden Plastikseiten besonders gerne, gefüllt mit abgegriffenen, aber genau deswegen wertvollen, alten Münzen. Zudem sind mir, einem Kind der 70er, auch die Grossmamis mit klirrenden Bettelarmbändern und den daran pendelnden, eingefassten Goldvrenelis eine liebe Erinnerung. Wie bereits eingestanden: Es war ein sentimentaler Reflex, als bei der Ankündigung der 100 Jahre Jubiläumsmünze des „Goldvreneli“ durch die Gesellschaft Swissmint (offizielle Münzen-Ausgabestelle des Bundes) ich mir vornahm, eine der auf 2'500 Stück limitierten Goldmünzen zu erwerben. Ach, wie stolz hätte ich meinen Papa gemacht. Doch so weit kam es nicht.

Vorbereitung ist das A und O
Natürlich war mir die angespannte Ankaufslage bekannt: Numismatiker und Sammler aus der ganzen Schweiz warteten wohl mit schwitzigen Händen vor dem Computer, um eine der begehrten Münzen zu erwerben. Der Kauf war nur online im Shop der Swissmint möglich. Der Käufer benötigte ein CH-Login, das im Vorfeld zu beantragen ist. Hierbei handelt es sich um eine Login-Lösung des Bundesamt für Informatik und Telekommunikation, BIT. Das CH-Login nutzen User für verschiedene Behördendienstleistungen in der ganzen Schweiz. Also Ärmeln hoch und fleissig alles vorbereiten: das Login bestellen und testen, das Passwort sichern und voller Vorfreude dem Verkaufsdatum, Dienstag, 1. Juli 2025, entgegenfiebern.

Auf die Plätze, fertig... aus
Der Handy-Reminder zeigte am 1. Juli pünktlich um 8 Uhr 40 an: Gleich geht es los. Ich sass also vor dem Computer, loggte mich ein und refreshte die Webseite in regelmässigen Abständen. Man weiss ja nie, vielleicht geht der Verkauf ja trotzdem einige Minuten vor dem offiziellen Start los. Nun ja, los ging nix. Gar nix. Um 8 Uhr 58 war die Webseite von Swissmint bereits zusammengebrochen. Server nicht verfügbar, Login-Anmeldung führte ins digitale Nirvana. Nicht mit mir, so mein kämpferischer Gedanke. Ich folgte der nach einiger Zeit erscheinenden Einblende, man solle es in wenigen Minuten nochmals versuchen. Irgendwann konnte man das Login wieder benutzen, aber es erschien kein Warenkorb. Dann ein schwaches Licht am Ende des digitalen Tunnels: Ich konnte eine Bestellung tätigen. Doch plötzlich wollte das Login nicht mehr. Ich wurde aufgefordert, zweimal das Login einzugeben, um immer wieder auf einer trostlosen Fehlerseite zu landen. „Sorry, etwas ist schiefgelaufen.“ 

Vergeudete Lebensstunden
Nach 65 Refresh-Versuchen, 14 (!) Bestätigungs-SMS von CH-Login und vergeudeten drei Stunden meines Lebens: der letzte Versuch. Den Kundendienst von Swissmint kontaktieren. Wenn es Swissmint digital nicht auf die Reihe kriegt, dann möglicherweise analog. Doch auch hier: Die einzige Reaktion war eine automatisierte (!) Email mit einer ernüchternden Information: „Trotz Vorbereitung ist die IT-Infrastruktur zusammengebrochen. (...) Wir analysieren die Probleme sorgfältig, um unsere Verkaufsprozesse zu verbessern.“

Customer Journey: ein neues All-In-Ferienangebot?
Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber offensichtlich hat man bei Swissmint von „Customer Journey“ noch nie etwas gehört. Entsprechend fällt es einem schwer nachzuvollziehen, worin diese „Vorbereitung“ eigentlich bestand. Der in allen Mitteilungen zitierte Ansturm kam ja nicht überraschend. Im Vorfeld gab es grosszügig PR zum Verkaufsstart der Jubiläumsmünze. Und technische Lösungen, um genau solche Überlastungen der Server zu vermeiden, gibt es seit Jahrzehnten. Diese stellen die Server-Kapazitäten und Webabwicklungen selbst bei ausserordentlich hohen Hits (Zugriffen auf die Webseite) sicher. Wie sonst lasse sich der Ticketverkauf einer Konzertarena mit einer Kapazität von bis zu 60'000 Tickets und unmittelbaren Ausverkaufspotenzial bewältigen? Selbstverständlich könnte man nun kontern, dass es bei Swissmint „nur“ um 2'500 Münzen ging. Doch werfen wir einen Blick auf den generierten Umsatz: Auf den Einzelpreis von 3'500 Franken pro Münze ergibt dies satte 8.75 Millionen! Nun ja, wenn sich Konzertveranstalter – die selbst bei schwindelerregenden Kapazitäten an einem Abend weniger einnehmen – eine solche IT-Lösung leisten können, dann sollte man davon ausgehen können, dass Swissmint in einer solch öffentlichkeitswirksamen Aktion nicht ins IT-Fettnäpfchen tritt. Doch vielmehr als ein Treten, war's ein freier Fall.

Trotz Bestätigung leer ausgegangen
Und last, but not least: Selbst einige scheinbar erfolgreiche Käufer, die von Swissmint eine Bestellungsbestätigung erhalten hatten und den stolzen Preis beglichen, gingen leer aus. Watson berichtet hierzu am 4. Juli. Die Leserkommentare nicht verpassen! Immerhin hier gibt es in dieser ernüchternden Geschichte etwas zu lachen.

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